Studentin löst Schulleiter ab

Erst eine Vorsitzende, jetzt eine Chorleiterin: Beim Hellershofer Gesangverein geben
Frauen den Ton an

Von unserem Korrespondenten Hans Georg Frank

Der Männergesangverein in Hellershof wird immer weiblicher. Nach der Wahl von Katja  Frank zur Vorsitzenden, hat der Liederkranz mit Cosima Hermann erstmals in seiner 118-jährigen Geschichte eine Frau als Chorleiterin verpflichtet.

Wolfgang Hänle und Cosima Hermann

Nach den ersten sechs Singstunden finden beiden Seiten nur lobende Worte füreinander. Die große Bewährungsprobe steht am kommenden Sonntag beim Adventskonzert in der Kirche bevor.
Seit 1982 hatte Wolfgang Hänle die Sänger der „Eintracht“ dirigiert und als feste Größe im Kulturleben des Schwäbischen Waldes etabliert. Am 1. Oktober, beim Erntedankfest, stand der pensionierte Lehrer letztmals vor seinen Männern. Mit nunmehr 75 Jahren wollte der Ex-Schulleiter die verantwortungsvolle Aufgabe an eine jüngere Kraft übergeben.
Für die Nachfolge suchte der Traditionsverein geeignete Bewerber in zwei Fachzeitschriften. Obwohl Hellershof nicht ganz der Nabel der Welt ist, bewerben sich fünf Kandidaten, die auch zum Probedirigat anreisten. Ein sechster Interessent konnte sich die Fahrt ins Sandland sparen: Der US-Amerikaner aus Memphis musste nicht wegen mangelnder Qualifikation abgelehnt werden – er hätte sich nur auf Englisch verständigen können; Amtssprache beim heimatverbundenen Liederkranz ist eher Schwäbisch.
Nach Probeläufen und gegenseitigem Beschnuppern waren sich die Akteure sicher, mit der jüngsten Anwärterin die richtige Wahl getroffen zu haben. Cosima Hermann (20) aus Schorndorf ist quasi erblich vorbelastet, leitet doch ihre Mutter Gabriele mit großem
Erfolg die Gesangvereine in Waldhausen und Grunbach.
„Sie hat sich gefreut, dass ich jetzt auch in diesem Bereich mitmische.“
Cosima Hermann studiert zwar in Tübingen Jura, ihr aktueller Traumberuf ist Richterin. Aber sie kann schon auf eine erstaunliche Karriere als Musikerin zurückblicken. Sie gehörte vier Jahre lang als Geigerin dem Bundesjugendorchester an, einer Auswahl der besten hundert Nachwuchsmusiker zwischen 14 und 19 Jahren aus der ganzen Republik. Mit dem Elite-Ensemble gastierte sie auch in Shanghai und Peking. Für den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck gehörte Cosima Hermann zu den „Botschaftern eines Deutschlands, wie wir es gerne hätten“.
Vorher China, nun also Schwäbischer Wald. „Es macht mir Spaß“, sagt die junge Chorleiterin, die früher selber gesungen hat. Natürlich will sie ihre Kasse für das Studium im 95 Kilometer entfernten Tübingen ein bisschen aufbessern, aber sie hat sich vor allem vorgenommen, die „Eintracht“ zu neuen Höhen zu führen. „Die Sänger sind auf einem guten Niveau, Herr Hänle hat gute Vorarbeit geleistet“, sagte sie anerkennend. Aber an der Technik könne noch etwas gefeilt werden, die Intonation lasse sich verbessern, alles soll noch einen Tick genauer klingen.
Die rund 20 Mannsbilder folgen der Anführerin ohne Murren. „Sie sind sehr diszipliniert und hören auf mich“, stellt sie erfreut fest. „Sie ist sehr musikalisch“, lobt Vorgänger Hänle, der jetzt mit seinem Tenor die Sänger verstärkt. Die Herren haben wohl zu ihrem eigenen
Erstaunen festgestellt, dass die Singstunde kurzweiliger geraten ist. Sie merken gar nicht mehr, wie schnell am Donnerstagabend die Zeit vergeht. Die Vereinsleitung hofft, dass dank der sympathischen Studentin der Chorgesang auch für jüngere Männer attraktiv sein
könnte.
Eine weitere Stufe der Feminisierung werde es allerdings nicht geben, versicherte die 1. Vorsitzende Katja Frank. Gemeint ist damit ein gemischter Chor: „Wir haben ja schon eine gut funktionierende Singgruppe mit engagierten Frauen.“ (hgf)

INFO

Das Adventskonzert der Eintracht findet am kommenden Sonntag in der Hellershofer Kirche statt. Beginn ist um 19.30 Uhr. Neben dem Männerchor wirken die Singgruppe und Instrumentalmusiker mit. Auf dem Programm stehen neun Lieder, mit denen Cosima Hermann das Publikum besinnlich auf Weihnachten einstimmen möchte. Der Eintritt ist frei, eine Spende für die Vereinskasse ist willkommen.

Das Konzert am 1. Advent hat seinen Ursprung in einer „kirchenmusikalischen Feierstunde“, die erstmals 1989 organisiert worden ist.